Alinea und das Seminarzentrum: Partner der ersten Monate
- Martin Mayrl
- 19. Jan. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Die Zuweisung von Flüchtlingen funktionierte schlecht. Die Stadt war voll von umherirrenden Menschen, aber unser Angebot fand den Weg nur schwer zu ihnen. Wir entschieden uns dafür, mit Partnern einen klaren Schwerpunkt zu setzen: Den Moskowitern waren die Angehörigen von Polizisten besondere Feinde. Sie waren daher besonders gefährdet: Sie waren vor Folter, Missbrauch, Hinrichtungen, Entführungen zu schützen.

Ivanka mit ihren Kindern Nazar und Karoline auf dem Weg zu einer Schweizer Familie
Unser Partner Alinea, eine kanadische Organisation, die sich schon in den Jahren davor mit der Ausbildung der ukrainischen Polizei befasst hatte, hatte Zugang zur Zielgruppe: Frauen und Kinder von Polizisten. Die ukrainischen Kirchen stellten als Erstunterkunft ein Seminarzentrum zur Verfügung. Nationale Polizeigewerkschaften in den meisten EU-Ländern gewannen ihre Mitglieder dafür, Frauen und Kindern von ukrainischen Polizisten Unterkunft und eine neue Bleibe zu geben.

Eine Matratze als Zuhause: Seminarzentrum
Freiwillige evakuierten die Frauen und Kinder unter Einsatz ihres Lebens aus der Kriegszone, oft in letzter Minute, bevor die Moskowiter ein Dorf besetzten, und brachten sie zu Sammelpunkten. Von dort wurden sie mit Bussen in das Seminarzentrum gebracht. Alinea koordinierte die Hilfe der EU-Partner und die Personentransporte. Wir übernahmen vom Seminarzentrum Frauen und Kinder, die sich bei uns auf die Weiterreise in die EU vorbereiteten und beherbergten sie einige Tage, bis sie in kleinen Gruppen mit Bussen die Weiterreise antreten konnten: Ins Baltikum, nach Polen, nach Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande, UK, Irland. Eine kleine Gruppe wurde sogar von isländischen Familien aufgenommen. Zu meinem großen Bedauern und zum Beschämen fanden sich in Österreich keine Polizisten, die bereit gewesen wären, eine Frau mit Kind bei sich zu Hause aufzunehmen.
Alinea verlegte sein Büro in eine unserer Flüchtlingswohnungen. Das vereinfachte die Logistik entscheidend. Bis in den Sommer hinein fanden 900 Frauen und Kinder über unser Projekt den Weg in die Sicherheit. Im Sommer 2022 konnte die ukrainische Armee den Vormarsch der Moskowiter stoppen, der putinsche Blitzkrieg scheiterte ebenso wie der „Enthauptungsschlag“, denn die Ukraine hatte mit Selenskij auch einen mutigen Präsidenten. Er sagte jenen, die ihn und die Regierung aus Kiew evakuieren wollten: Ich brauche kein Flugticket, ich brauche Waffen. Und der Westen lieferte. Immer ein bisschen zu spät und immer zu wenig. Aber doch genug, um mit bewundernswertem Einsatz der Soldatinnen und Soldaten die Moskowiter in die Schranken zu weisen.
Im Sommer ebbte der Flüchtlingsstrom ab. Manche Frauen machten sich mit ihren Kindern wieder auf den Weg nach Hause und verbrachten noch einmal einige Tage bei uns in Lemberg. Alinea bezog wieder ein eigenes Büro und mit der Erfahrung der ersten Monate zogen wir eine Zwischenbilanz und evaluierten unser Projekt und die Situation in Lemberg.




