Im Chaos eine kleine Welt organisieren
- Martin Mayrl
- 19. Jan. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Unser Projekt hatte noch keinen Namen. Aber wir wussten, was wir wollten: Einigen von den Millionen, die vor der Brutalität der moskowitischen Soldateska auf der Flucht waren, eine kleine Insel in Lemberg zur Erholung und zum Kraft tanken anbieten, bevor sie ihren Weg fortsetzen.

Unsere erste Flüchtlingsfrau aus Irpyn mit vier ehrenamtlichen Helfer:Innen
Was wir in und um Lemberg vorfanden, war zuallererst Chaos: auf den Straßen, den Flüchtlingsrouten, auf dem Bahnhof, in den Gassen der Stadt. Ich hatte die Flüchtlingsbewegung 2015 in Wien erlebt. Tausende auf dem Hauptbahnhof, tausende, die von einem Zug in den anderen umgepackt wurden, Helferinnen und Helfer, die Menschen am Bahnhof in Budapest abholten. So ähnlich die Bilder waren, es gab für mich einen Unterschied: Die Ukrainerinnen mit ihren Kindern flohen vor den Mördern, Vergewaltigern und Folterknechten Putins. Die Männer verabschiedeten sich am Grenzübergang und fuhren in ihre Dörfer und Städte zurück, organisierten ihre Territorialverteidigung, andere, die im Ausland gelebt hatten, kehrten in die Ukraine zurück und meldeten sich bei der Armee zum Dienst. (Die anderen Männer, die sich wegduckten, versteckten und eine mit Schmiergeld geölte „Reise“ in den Westen unternahmen, fielen in den ersten Tagen noch nicht auf.)

Krieg im Land, Kinderzeichnung
Zuerst mussten wir organisieren. Ungeduldig. Denn jeder Tag, den wir für die Vorbereitung brauchten, war ein verlorener Tag für die Menschen, die wir unterstützen wollten: Wohnraum anmieten und ausstatten, ehrenamtliche Helfer und Helferinnen suchen, die Wohnungen als Durchgangswohnungen ausstatten, Partner finden, mit Behörden zusammenarbeiten, die sich bemühten, Strukturen in das Chaos zu bekommen. Dann stand „unser“ erster Flüchtling vor der Tür: Eine alte, kranke Frau aus Irpin, dieser Kleinstadt vor Kiew, in der den Menschen von den Moskowitern besonders übel mitgespielt wurde. In zwei Plastiksackerl trug sie mit sich, was ihr vom Leben geblieben war.




